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Kein Krieg zwischen den Generationen

Viele allgemeine Vorstellungen zur Qualität von Generationenbeziehungen erweisen sich als falsch

„Bei der Alterung der Bevölkerung geht es nicht nur um ältere Menschen“, erklärt Pearl Dykstra von der Erasmus University Rotterdam in ihrem Artikel „Key Findings from the Multilinks Research Programme“. Dykstra und ihre Kollegen von Multilinks haben diese Sicht auf den Demografischen Wandel zur Grundlage für ihre Forschungen gemacht und begehen damit Neuland.
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Kein Krieg zwischen den Generationen
Copyright: Kostia 

„Bei der Alterung der Bevölkerung geht es nicht nur um ältere Menschen“, erklärt Pearl Dykstra von der Erasmus University Rotterdam in ihrem Artikel „Key Findings from the Multilinks Research Programme“. Dykstra und ihre Kollegen von Multilinks haben diese Sicht auf den Demografischen Wandel zur Grundlage für ihre Forschungen gemacht und begehen damit Neuland.

Denn häufig gehen Forschungsarbeiten davon aus, dass der demografische Wandel vorwiegend ältere Menschen betrifft, etwa in Bezug auf ihren sozioökonomischen Status oder ihr Wohlbefinden. Unbestreitbar besteht eine der wichtigsten demografischen Änderungen in einem wachsenden Prozentsatz älterer Menschen. Allerdings wirkt sich die Alterung der Bevölkerung  auch auf die jüngeren Generationen aus. Man sollte daher allen Altersgruppen Aufmerksamkeit zukommen lassen, verlangt die Autorin. Eine zweite wesentliche Prämisse, die der Arbeit des Multilinks-Forschungsprogramms zugrunde liegt, ist, dass Bevölkerungstrends in Zusammenhang mit rechtlichen und politischen Regelungen untersucht werden sollten. Schließlich, so bekräftigt Dykstra, ist es für ein besseres Verständnis der Generationenbeziehungen unerlässlich, Makro- und Mikro-Ebenen, verschiedene Regionen, Ansichten und Verhaltensweisen sowie gesellschaftliche Grundsätze und  Gesetze voneinander zu unterscheiden.

 

Das Bild der Familie ändert sich

Aus früheren Forschungsarbeiten ist bekannt, dass makrodemografische Veränderungen zu einer Vertikalisierung familiärer Beziehungen führen. Dabei bestehen mehr vertikale Bindungen zwischen Eltern, Großeltern und Ur-Großeltern als horizontale Bindungen zwischen Geschwistern und Cousinen bzw. Cousins. Dykstra widerspricht diesem „Genregemälde der Veränderung von Familie“ und weist darauf hin, dass für Europa immer noch Drei- und nicht Vier- oder Fünf-Generationen-Familien typisch sind (siehe Abbildung 1). Durch die Betrachtung der Mikroebene findet die Autorin eine Erklärung für diesen Befund: Er beruht auf den gegenläufigen Effekten des Anstiegs der Lebenserwartung bei der Geburt und des Aufschubs der Elternschaft sowie den Unterschieden hinsichtlich des Entwicklungsniveaus dieser Indikatoren zwischen den europäischen Staaten.

 

Abbildung 1: Erwachsene im Alter von 20 - 80 Jahren, nach der Anzahl der Generationen innerhalb der Familie, ausgewählte Staaten

 

Ein zweiter Mythos im Zusammenhang mit der Veränderung von Familienstrukturen, dessen sich Dykstra annimmt, ist die Metapher von der Sandwich-Generation. Die Autorin argumentiert, dass Erwachsene, die als Angehörige der Sandwich-Generation klassifiziert werden, zwischen 30 und 60 Jahre alt sind: In dieser Altersgruppe ist es eher unwahrscheinlich, dass Menschen zur selben Zeit kleine Kinder und gebrechliche, versorgungsbedürftige Eltern haben.

Zuletzt betont die Autorin, dass der Rückgang der Fertilität eine Abnahme der Kinderzahl pro Frau bedeutet und nicht notwendigerweise zu beträchtlich niedrigeren Kinderzahlen bei den einzelnen Müttern führt. Die Kinderlosigkeit sei allerdings ein kritischer Faktor, den es zu berücksichtigen gilt.

 

Zusammenleben – wer hilft wem?

Die Ergebnisse von Multilinks zeigen, dass dort, wo verschiedene  Generationen im selben Haushalt leben, der Schwerpunkt häufiger auf der Hilfe der Jüngeren liegt. Somit sind die Transferleistungen zwischen den Generationen hier eher abwärts gerichtet, von den Eltern zu den erwachsenen Kindern, und nicht wie bisher angenommen  umgekehrt. Unter Verwendung von Daten aus dem Generations and Gender Survey stellen die Forscher aus dem Multilinks-Programm fest, dass es in weniger als 5 % der Haushalte die älteren Menschen sind, die unterstützt werden. Außerdem werden Eltern meist erst in fortgeschrittenen Alter von über 80 Jahre) die Empfänger von Unterstützungsleistungen innerhalb der Familie.

 

Welche Bedeutung haben staaten- und alterspezifische Politiken?

Studien aus dem Multilinks-Kontext belegen darüber hinaus anhand von Daten aus der Erhebung über Gesundheit, Alterung und Ruhestand in Europa, dass staatenspezifische Maßnahmen die Versorgung innerhalb der Familie beeinflussen. Dykstra stellt das Beispiel der Kinderbetreuung durch die Großeltern in ausgewählten europäischen Staaten vor. Dabei verweist sie darauf, dass junge Erwachsenen in Staaten mit den am wenigsten großzügigen Dienstleistungen und Elternzeitregelungen (wie Spanien, Italien, Griechenland und Polen) am häufigsten die Hilfe ihrer Eltern bei der Kinderbetreuung benötigen (siehe Abbildung 2). Zudem sprechen die Analyseergebnisse von Daten des European Social Survey dafür, dass Großelternschaft den Eintritt in den Ruhestand beschleunigt, insbesondere bei älteren Frauen. Andererseits ermöglicht es die bei der Kinderbetreuung geleistete Hilfe den erwachsenen Töchtern, auf dem Arbeitsmarkt zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren.

 

Abbildung 2: Vorhergesagte Wahrscheinlichkeit der Betreuung eines Enkelkinds (Kind einer berufstätigen Tochter) in Abhängigkeit vom Niveau effektiver Freistellung und von verfügbaren Dienstleistungen

 

Schließlich belegen Ergebnisse des Multilinks-Projekts, dass auf bestimmte Altersgruppen ausgerichtete Maßnahmen eine „wohlwollende Altersdiskriminierung“ verstärken. In anderen Worten: In Staaten mit beispielsweise hohem Kindergeld scheinen die Menschen gegenüber jungen Menschen eine positivere Einstellung zu haben.

Rechtliche und politische Regelungen in jedem Staat nehmen also Einfluss auf die Generationenbeziehungen, deshalb, so Dykstra, „sollte daher die nationale Politik bestrebt sein, intergenerationale Versorgungssysteme zu unterstützen, ohne soziale und geschlechtsbedingte Ungleichheiten zu verstärken.“

 

 

Please note that only the English version is citable as this is the version that has been approved by the author(s). Please cite the PopDigest as: Conkova, Nina (2012): No War Between Generations: Intergenerational relations are not exactly what we thought they were. PopDigest 33. Berlin: Population Europe. Available at: http://population-europe.eu/pop-digest/no-war-between-generations. (Date of Access)

This Population Digest has been published with financial support from the Progress Programme of the European Union in the framework of the project “Supporting a Partnership for Enhancing Europe’s Capacity to Tackle Demographic and Societal Change”.

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