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Altruismus oder Egoismus?

Heimatüberweisungen der zweiten Generation in Europa

Migranten haben vermutlich schon immer Geld in ihre Herkunftsländer überwiesen und stellen damit in Entwicklungsländern heute die zweitgrößte Quelle finanzieller Zuflüsse dar. Heimatüberweisungen sind jedoch auch in Europa üblich. Welche Motive liegen diesem Verhalten zugrunde? Sämtliche Studien zu Heimatüberweisungen konzentrierten sich bisher auf Migranten der ersten Generation und haben die Gründe für diese Zahlungen eingehend untersucht. Tineke Fokkema, Eralba Cela und Elena Ambrosetti richten mit ihrer jüngsten Forschungsarbeit nun den Fokus auf Migranten der zweiten Generation.
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Altruisme ou égoïsme ?
Copyright: Roman Sigaev

Migranten haben vermutlich schon immer Geld in ihre Herkunftsländer überwiesen und stellen damit in Entwicklungsländern heute die zweitgrößte Quelle finanzieller Zuflüsse dar. Heimatüberweisungen sind jedoch auch in Europa üblich. Welche Motive liegen diesem Verhalten zugrunde? Sämtliche Studien zu Heimatüberweisungen konzentrierten sich bisher auf Migranten der ersten Generation und haben die Gründe für diese Zahlungen eingehend untersucht. Tineke Fokkema, Eralba Cela und Elena Ambrosetti richten mit ihrer jüngsten Forschungsarbeit nun den Fokus auf Migranten der zweiten Generation.


 


Eine nicht leicht zu beantwortende Frage


Die zentrale Frage, die sie dabei stellen, lautet: Beruhen Heimatüberweisungen von Migranten der zweiten Generation mehr auf Selbstlosigkeit oder auf Eigennutz? Antworten auf diese Frage sind natürlich nicht immer eindeutig. Migrantenkinder wachsen in einem kulturellen Umfeld auf, in dem die Ideen, Normen und Bräuche von vielen Faktoren beeinflusst werden. Einige dieser Einflüsse kommen aus dem Land der Vorfahren und viele aus dem Land, in dem sie sich niedergelassen haben. Für gewöhnlich können Heimatüberweisungen daher nicht nur auf einen Faktor zurückgeführt werden, sondern auf einen Mix aus unterschiedlichen Motiven.


Nichtsdestotrotz versuchten die Autorinnen, diese Frage mit einem vergleichenden Ansatz anhand quantitativer Daten zu untersuchen. Dazu verwendeten sie Daten des „Integration of the European Second Generation“-Projekts (TIES), welches das Verhalten von Kindern von Migranten aus der Türkei, Marokko und dem ehemaligen Jugoslawien in verschiedenen europäischen Städten untersucht.


 


Von Herzen oder aus Egoismus?


Unter Berufung auf bisherige Forschung zu Migranten der ersten Generation, gehen die Autorinnen davon aus, dass die theoretischen Überlegungen und die sich daraus ergebenden Effekte in Bezug auf Altruismus und Eigennutz auch für die zweite Generation gelten könnten. Damit scheinen vor allem zwei Motive zentral für das Überweisungsverhalten von Migranten der zweiten Generation zu sein: Das erste Motiv ist reiner Altruismus – Geld wird aus einer emotionalen Verbundenheit und ohne die Erwartung dafür etwas im Gegenzug zu erhalten, überwiesen. Dabei geht es um reine Großzügigkeit, die weder auf Verpflichtungen noch Schuld basiert. Die zweite Motivation ergibt sich nicht unbedingt aus emotionalen und altruistischen Gründen, sondern beruht eher auf Eigennutz. Diese Beweggründe umfassen die Verbesserung der Aussicht auf ein Erbe, die Stärkung der sozialen Bindungen in die Heimat sowie die Möglichkeit über Geschehnisse im Heimatland informiert zu bleiben und Kontakt zu halten. Auch eine potentielle dauerhafte Rückkehr kann durch die Zahlungen erleichtert werden. „Investitionen in das Heimatland“ können somit gleichermaßen durch Altruismus als auch Eigeninteresse motiviert sein.


 


Zahlreiche Einflussfaktoren


Welche Faktoren beeinflussen die Wahrscheinlichkeit, dass Geld in das Herkunftsland überwiesen wird? Die Autorinnen nutzten für die Untersuchung dieser Frage eine Vielzahl an Kontrollvariablen und unterschiedlichen Methoden. Aus ihren Ergebnissen lässt sich schließen, dass Religiosität, der Gebrauch der elterlichen Muttersprache im familiären Kontext und ein Partner aus der ersten Generation in vielen Modellen einen starken Einfluss darauf ausüben, ob Geld in das Heimatland gesendet wird. Zu den eher emotionalen Faktoren, die auf die Individuen einwirken, gehören sowohl regelmäßige Besuche im Herkunftsland als auch das Schauen von Fernsehprogrammen des jeweiligen Landes.


Auch Entfernung spielt eine Rolle. Je größer die Entfernung zum Herkunftsland, umso wahrscheinlicher ist eine Überweisungsbereitschaft der Migranten der zweiten Generation. Weiterhin wirkt sich auch zunehmendes Alter positiv auf das Zahlungsverhalten der Migranten aus und lässt sich einerseits mit dem steigenden sozioökonomischen Status begründen, andererseits mit dem Altern der Eltern, das vermutlich mit einem gesteigerten Verantwortungsgefühl einhergeht. Natürlich lässt sich auch eine Zusammenhang herstellen zwischen Zahlungen und konkreten Absichten in das Herkunftsland der Eltern zurückzukehren.


 


Verschiedene Ergebnisse


Wie bereits erwähnt ist die Interpretation der Hauptgründe für Heimatüberweisungen kompliziert. Darum wurde eine Vielzahl an Variablen berücksichtigt. Dennoch wird die Haltung gegenüber dem Heimatland von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, von denen viele nur schwer messbar sind. Aufgrund der Komplexität des Themas kommen die Autorinnen zu dem Schluss, dass Heimatüberweisungen das Ergebnisse vielen miteinander zusammenhängender Faktoren sind. Das Überweisungsverhalten von Migranten der zweiten Generation ist ein neues und im europäischen Kontext bisher unerforschtes Thema. Diese Studie kann daher nur ein erster Schritt sein, der noch weitere Forschungsarbeiten nach sich ziehen sollte. Zukünftige Bemühungen zur Entwicklung theoretisch fundierter Modelle über Heimatüberweisungen der zweiten Generation wären höchst empfehlenswert.


 


 


Please note that only the English version is citable as this is the version that has been approved by the author(s). Please cite the PopDigest as: Robles, Isabel (2013): Altruism Or Egoism? The second generations remittance behaviour in Europe. PopDigest 43. Berlin: Population Europe. Available at: http://population-europe.eu/pop-digest/altruism-or-egoism. (Date of Access)


This Population Digest has been published with financial support from the Progress Programme of the European Union in the framework of the project “Supporting a Partnership for Enhancing Europe’s Capacity to Tackle Demographic and Societal Change”.