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Älter werden, ohne länger zu leben

Bevölkerungsalterung und Generationenbeziehungen in einem neuen „östlichen“ Licht

Die westlichen und die östlichen Teile Europas weisen deutliche Unterschiede in ihrer demografischen, ökonomischen und sozialen Entwicklung auf. Nikolai Botev untersucht einige dieser Unterschiede und diskutierte deren Bedeutung für den Prozess der Bevölkerungsalterung und die Generationenbeziehungen in Mittel- und Osteuropa (MOE, umfasst die ehemals kommunistischen Staaten).   Demografischer Wandel inmitten politischer, ökonomischer und sozialer Transformationsprozesse
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Getting Older Without Living Longer
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Die westlichen und die östlichen Teile Europas weisen deutliche Unterschiede in ihrer demografischen, ökonomischen und sozialen Entwicklung auf. Nikolai Botev untersucht einige dieser Unterschiede und diskutierte deren Bedeutung für den Prozess der Bevölkerungsalterung und die Generationenbeziehungen in Mittel- und Osteuropa (MOE, umfasst die ehemals kommunistischen Staaten).


 


Demografischer Wandel inmitten politischer, ökonomischer und sozialer Transformationsprozesse


Betrachtet man das Bevölkerungswachstum, weichen die ehemals kommunistischer Staaten signifikant von Nord- und Westeuropa ab (siehe Abbildung 1): hier treten noch positive Zuwachsraten und ein positives Wanderungssaldo auf, wohingegen die meisten Staaten der MOE-Region durch einen natürlichen Bevölkerungsrückgang und/oder eine hohe Abwanderung gekennzeichnet sind.


 



Abbildung 1:Staaten nach Beitrag des natürlichen Zuwachses und des Wanderungssaldos zum Bevölkerungswachstum, 2000-2005. (Hinweis: A=natürlicher Zuwachs + negatives Wanderungssaldo; B=natürlicher Zuwachs + positives Wanderungssaldo; C=natürlicher Rückgang + positives Wanderungssaldo; D=Rückgang + negatives Wanderungssaldo)


 


Darüber hinaus haben hohe Abwanderung und Sterblichkeit in Kombination mit einem raschen Wechsel der Geburtenzahlen  und pronatalistischen Politikmaßnahmen der kommunistischen Regimes zu etwas geführt, was der Autor als „ungeordnete Kohortenströme“ (disordered cohort flows) bezeichnet. Das bedeutet, dass die Bevölkerungen der MOES aus „wellenartigen Sequenzen“ größerer und kleinerer Kohorten bestehen. In jenem Teil Europas differieren die Kohorten auch hinsichtlich ihrer Fähigkeit, sich an politische, ökonomische und soziale Veränderungen anzupassen. Botev zufolge konnten sich jüngere Generationen leichter an die neue Lebensweise anpassen als ältere Generationen. Das hat zu wachsenden Spannungen zwischen den Generationen geführt und somit zu einer Ausweitung der Kluft zwischen ihnen.


 


„Ost-West-Ungleichheiten“ bei der durchschnittlichen Lebenserwartung


In den MOES waren die Sterblichkeitsraten seit den 1960er Jahren höher als im Rest Europas. Nach dem Beginn der Transitionsphase zu Anfang der 1990er ist in der Region eine gewisse Verbesserung hinsichtlich der Mortalität beobachtet worden. Die Lebenserwartung bei der Geburt bleibt jedoch niedriger als im Westen. Das trifft vor allem auf Männer zu, deren Mortalität besonders hoch ist. Botev zufolge hat die hohe Mortalität einen stärkeren Einfluss auf die Alterung der Bevölkerung gehabt als die niedrige Fertilität und ist größtenteils dafür verantwortlich, dass die Alterungsindikatoren in MOE interessanterweise niedriger sind als in Westeuropa. Dieser Trend resultiert auch in einer geringeren Belastung der sozialen Sicherungssysteme.


 


Der Einfluss der Abwanderung


Die Abwanderung ist ein Schüsselfaktor der Bevölkerungsalterung in der MOE-Region, denn es sind die Jungen, die am häufigsten abwandern. Mit der Emigration gehen zwei Hauptfolgen einher. Erstens verringert sich die Anzahl wirtschaftlich aktiver Menschen im fertilen Lebensalter. Botev argumentiert, dass dieser Trend die ökonomische Entwicklung der MOE-Staaten behindert und den Regierungen weniger Möglichkeiten lässt, die negativen Auswirkungen der Bevölkerungsalterung abzufedern.


Zweitens führt die Abwanderung häufig zu einer Verschiebung von Aufgaben zwischen den Generationen: Es sind nicht die Jungen, die ihre bedürftigen Eltern versorgen, sondern stattdessen versorgen die Großeltern ihre Enkelkinder, deren Eltern emigriert sind. In diesem Zusammenhang postuliert Botev, dass die aktivere Beteiligung der Großeltern an der Kindererziehung stärkere Interdependenzen zwischen den Generationen begünstigt.


 


Unterschiedliche Dauer von Generationen


In den letzten Jahrzehnten hat das Durchschnittsalter bei der Geburt in MOE begonnen sich dem in Westeuropa anzugleichen, doch eindeutige Unterschiede bestehen weiter. So führt Botev aus, dass die Generationendauer in Mittel- und Osteuropa kürzer ist als in den übrigen Teilen des Kontinents. Dem Autor erscheint es naheliegend, dass diese Entwicklung einen positiven Effekt auf die Beziehungen zwischen den Generationen hat, insbesondere was emotionale Bindungen und die Vereinbarkeit von Interessen anbelangt. Ferner weist er darauf hin, dass die Generation der Kinder voraussichtlich selber den Ruhestand erreicht hat, wenn die Elterngeneration etwa 80 Jahre alt ist und vermehrt pflegebedürftig. Die Kindergeneration wird daher in der Lage sein, diese Versorgung zu leisten.


 


Mögliche Verlierer der Übergangsphase


Die Transitionsphase hat nicht nur die demografische Entwicklung der ehemals kommunistischen Staaten erheblich beeinflusst, sondern auch das Wohlbefinden der Menschen. In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich das Einkommen verschlechtert, und die Armut unter älteren Menschen und Kindern hat beträchtlich zugenommen.


 



Abbildung 2: Kinder- gegenüber Altersarmut in den EU-Mitgliedsstaaten, 2009. Quelle: EU-Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen, Eurostat, Online-Datenbank


 


Abbildung 2 zeigt, dass 2009 die Hälfte der neuen Mitgliedsstaaten ein hohes Maß an Kinderarmut aufwies, wobei Rumänien an der Spitze stand. Die andere Hälfte mit Bulgarien, Zypern, Estland und Lettland führten in puncto Altersarmut. Botev zufolge deuten die subjektiven Indikatoren auch darauf hin, dass sich ältere Menschen in MOE selbst als „die Verlierer der Transitionsphase“ wahrnehmen.


Um diesen Herausforderungen zu begegnen, so Botev, sollten politische Entscheidungsträger den Besonderheiten der Bevölkerungsalterung in dieser Region mehr Beachtung schenken. Der Autor weist insbesondere auf die Notwendigkeit hin, die Gesundheitssysteme und Infrastruktur von Pflegeeinrichtungen zu verbessern und gesündere Lebensweisen zu fördern.


 


 


Please note that only the English version is citable as this is the version that has been approved by the author(s). Please cite the PopDigest as: Conkova, Nina (2012): Getting Older Without Living Longer: Population ageing and intergenerational relations in a new ‘eastern’ light. PopDigest 37. Berlin: Population Europe. Available at: http://population-europe.eu/pop-digest/getting-older-without-living-lon…. (Date of Access)


This Population Digest has been published with financial support from the Progress Programme of the European Union in the framework of the project “Supporting a Partnership for Enhancing Europe’s Capacity to Tackle Demographic and Societal Change”.