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Älter aber fitter

Physische und psychische Leistungsfähigkeit von Menschen die älter als 90 Jahre sind: Vergleich zweier dänischer Kohorten, deren Geburtsjahre zehn Jahre auseinanderliegen

In Ländern mit hohem Einkommen erreicht ein rasant ansteigender Teil der Bevölkerung die zehnte Lebensdekade. Dieser Anteil wird in der Zukunft weiter wachsen, sowohl in absoluten Zahlen wie auch als Prozentsatz der älteren Menschen. Diese Entwicklung geht mit Befürchtungen hinsichtlich des Ausmaßes von Gebrechlichkeit und Behinderung in diesen Altersgruppen und der damit verbundenen persönlichen und gesellschaftlichen Kosten einher.
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Mayores pero en mejor forma
Source: diego cervo

In Ländern mit hohem Einkommen erreicht ein rasant ansteigender Teil der Bevölkerung die zehnte Lebensdekade. Dieser Anteil wird in der Zukunft weiter wachsen, sowohl in absoluten Zahlen wie auch als Prozentsatz der älteren Menschen. Diese Entwicklung geht mit Befürchtungen hinsichtlich des Ausmaßes von Gebrechlichkeit und Behinderung in diesen Altersgruppen und der damit verbundenen persönlichen und gesellschaftlichen Kosten einher. Es ist jedoch nur wenig bekannt über den Gesundheitsstatus von sehr alten Menschen und solchen die in Pflegeheimen leben, für die das Thema wohl am wichtigsten ist. Außerdem wurden bisher nur wenige Untersuchungen auf Grundlage großer, nationaler und gut dokumentierter Geburtskohorten durchgeführt.


Um diese Forschungslücke zu schließen, verglichen Kare Christensen und seine Ko-Autoren die physische und psychische Leistungsfähigkeit zweier Kohorten dänischer Neunzigjähriger, deren Geburtsjahre 10 Jahre auseinander lagen: 1905 und 1915. Die Kohorten wurden über das dänische Melderegistersystem identifiziert, das seit 1968 Aufzeichnungen zu allen in Dänemark lebenden Personen enthält. Es wurden keine Ausschlusskriterien verwendet, sondern es wurden alle Personen kontaktiert, die in den relevanten Untersuchungszeiträumen in Dänemark geboren wurden und dort lebten, unabhängig von der Art ihres Wohnsitzes, ihrer Gesundheit oder ihrem kognitiven Status. Die 1905-Kohorte umfasst insgesamt 3.600 Personen und die 1915-Kohorte insgesamt 2.509 Personen. Die Erhebung bestand aus einem Interview, physischen und kognitiven Tests sowie der Sammlung von biologischen Proben wie Blutproben oder einem Wangenabstrich.



Abbildung 1: Testergebnisse für die beiden unterschiedlichen Kohorten: Mini-Mental-Status-Test gemessen auf einer Skala von 0 bis 30, Composite-Score aus fünf Kognitionstests mit Fokus auf altersbedingte Veränderungen (Mittelwert 0, Standardabweichung 3.6) und Alltagsaktivitäten auf einer Skala von 1 bis 4.


 


Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Verbesserungen in Bezug auf Alltagstätigkeiten in sehr hohem Alter vorwiegend auf einer verbesserten kognitiven Leistungsfähigkeit und verbesserten Lebensbedingungen beruhen. Hierunter fallen bessere Hilfsmittel zur Unterstützung von Mobilität und Unabhängigkeit wie Gehhilfen, technisch ausgereifte Griff-Stützen, Türschwellenrampen oder Drehsitze.


Die Ergebnisse zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, 93 Jahre alt zu werden, in der 1915-Kohorte um 28 % größer war als in der 1905-Kohorte (6,50 % gegenüber 5,06 %). Die Wahrscheinlichkeit, 95 Jahre alt zu werden, war in der 1915-Kohorte um 32 % größer (3,93 % gegenüber 2,98 %). Obgleich die 1915-Kohorte bei den Tests zwei Jahre älter war, schnitt sie sowohl bei den Kognitionstests als auch bei den Alltagsaktivitäten signifikant besser ab als die 1905-Kohorte. Dies deutet darauf hin, dass mehr Menschen bei besserer Gesamtleistungsfähigkeit älter werden. Auf der Ebene der kognitiven Leistungsfähigkeit zeigten sich im Vergleich zwischen den beiden Kohorten die deutlichsten Versbesserungen, während sich bei den Tests der körperlichen Leistungsfähigkeit und zur depressiven Beschwerdesymptomatik keine Unterschiede ergaben. Sowohl bei mentalen Tests als auch bei den Kognitionstests erreichten in beiden Kohorten Männer bessere Werte als Frauen.


Die Gesundheit aufeinanderfolgender Kohorten wird von zwei gegensätzlich wirkenden Prozessen beeinflusst: Einerseits kann die spätere Kohorte von gesundheitlichen Fortschritten profitieren, die von wirksamerer Prävention herrühren, wie Grippe-Impfungen, blutdruck- bzw. cholesterinsenkende Medikamente oder verbesserte Behandlungsverfahren für Herzerkrankungen und Krebs. Neben diesen unmittelbaren medizinischen Vorteilen profitieren Menschen auch von einem verbesserten Lebensstandard, höheren Bildungsniveau, gesünderer Ernährung und Sport. Derartige Fortschritte helfen den Mitgliedern der jüngeren Kohorte, ein höheres Alter bei besserer Gesundheit zu erreichen. Dieser Fortschritt ist auch als Success-of-success-Effekt bekannt: Die Verbesserung der Gesundheit in jüngeren Jahren führt in späteren Jahren zu einer gesünderen Kohorte.


Andererseits ist die später geborene Gruppe aufgrund der geretteten Leben größer als die früher geborene: Diejenigen, die zusätzlich überlebt haben, sind möglicherweise bei vergleichsweise schlechterer Gesundheit und wären eventuell gestorben, wenn sie in früheren Kohorten mit weniger günstigen Lebensbedingungen und schlechteren medizinischen Behandlungsverfahren gelebt hätten. Dieser Prozess ist als der Failure-of-success-Effekt bekannt: Die Lebensrettung könnte die durchschnittliche Gesundheit verschlechtern, da sehr gebrechlichen Individuen ermöglicht wird, ein höheres Alter zu erreichen, als es ihnen anderenfalls möglich gewesen wäre.


Die Ergebnisse dieser Studie belegen eine positive Entwicklung zwischen den Geburtskohorten ohne Hinweise auf ein Nettoergebnis gemäß dem Failure-of-success-Modell. Andererseits erreichte die 1915-Kohorte – obwohl sie zwei Jahre älter war – bessere Leistungen auf den Skalen für Kognition und Alltagsaktivitäten als die 1905-Kohorte. Dies weist auf ein Nettoergebnis gemäß dem Success-of-success-Modell hin, bei dem mehr Individuen ein höheres Alter bei besserer Gesamtleistungsfähigkeit erreichen.


 


 


Please note that only the English version is citable as this is the version that has been approved by the author(s). Please cite the PopDigest as: Vono de Vilhena, Daniela, and Matthiesen, Sigrun (2014): Older But Fitter: Physical and cognitive functioning of people over the age of 90: a comparison of two Danish cohorts born 10 years apart. PopDigest 47. Berlin: Population Europe. Available at: http://population-europe.eu/pop-digest/older-fitter. (Date of Access)


This Population Digest has been published with financial support from the Progress Programme of the European Union in the framework of the project “Supporting a Partnership for Enhancing Europe’s Capacity to Tackle Demographic and Societal Change”.