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Immer ein Scheidungsrisiko

Die Auswirkung des Scheidungsrechts auf das Wohlbefinden von Kindern

In welchem Maße leiden Kinder, wenn sich ihre Eltern scheiden lassen? Insbesondere aufgrund der Komplexität des Themas lässt sich diese Frage nicht leicht beantworten. Die Forscher Steffen Reinhold, Thorsten Kneip und Gerrit Bauer konzentrierten sich stattdessen auf eine wesentlich spezifischere Fragestellung: Inwiefern beeinflusst das Recht auf einseitiges Scheidungsbegehren das Wohlbefinden von Kindern?  
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El constante riesgo de divorcio
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In welchem Maße leiden Kinder, wenn sich ihre Eltern scheiden lassen? Insbesondere aufgrund der Komplexität des Themas lässt sich diese Frage nicht leicht beantworten. Die Forscher Steffen Reinhold, Thorsten Kneip und Gerrit Bauer konzentrierten sich stattdessen auf eine wesentlich spezifischere Fragestellung: Inwiefern beeinflusst das Recht auf einseitiges Scheidungsbegehren das Wohlbefinden von Kindern?

 

Scheidungsfolgen

Es gibt einen großen Fundus an Literatur, der auf die negativen Folgen einer Scheidung für Kinder verweist, wie beispielsweise auf der Ebene des Wohlbefindens und des Bildungsniveaus. Erstens verlässt üblicherweise ein Elternteil den Haushalt und verbringt weniger Zeit mit dem Kind, aber auch der bleibende Elternteil hat unter Umständen weniger Zeit. Beides führt meist zu einer Verringerung der Zeit, die Eltern mit ihren Kindern verbringen. Zweitens sind Scheidungen gewöhnlich mit wirtschaftlichen Einbußen verbunden, was zu geringeren Investitionen in das Humankapital der Kinder führt.

Es gibt auch Studien, denen zufolge das liberalisierte Scheidungsrecht eine Einflussgröße darstellen könnte. Reinhold, Kneip und Bauer beschäftigten sich mit dieser Frage, indem sie einen sogenannten „difference-in-differences“-Ansatz verwenden und den Einfluss der Struktur der Kindheitsfamilie und deren sozioökonomischen Status in der Analyse kontrollierten. Dafür benutzten sie aktuelle Daten von SHARELIFE für elf westeuropäische Staaten.

 

Recht auf einseitiges Scheidungsbegehren

Die Scheidungsgesetze in Europa haben in den letzten Jahrzehnten einige Veränderungen erfahren. Zuerst wurde die Scheidung ein Rechtsakt. Dann wurde für Scheidungen das Zerrüttungsprinzip eingeführt. Der letzte Schritt war ein Übergang von solchen Gesetzen, die ein beiderseitiges Einvernehmen fordern, hin zu Gesetzen, die ein einseitiges Scheidungsbegehren ermöglichen.

Frühere Forschungen zeigten, dass ein einseitiges Scheidungsrecht negative Folgen für Kinder haben kann. Ungeklärt ist jedoch die Frage, ob dieser Einfluss der Lebensbedingungen in der frühen Kindheit auf die Scheidungsgesetze zurückzuführen ist, die eine Trennung der Eltern wahrscheinlicher machen, oder ob  ein einseitiges Scheidungsrecht auch Kinder in intakten Ehen beeinflusst, indem es die Verhaltensmuster innerhalb eines Haushalts verändert. Verändert ein liberalisiertes Scheidungsrecht die Verhandlungsprozesse innerhalb eines Haushalts und damit die Investitionen in das Humankapital der Kinder oder tritt beides auf?

 

Verhandlungen wegen liberalisierter Gesetze?

Wenn die Einführung des einseitigen Scheidungsbegehrens die Wahrscheinlichkeit von Ehescheidungen erhöht, hätten Frauen in intakten Ehen einen gesteigerten Anreiz, mehr in ihre eigene Arbeitsmarkterfahrung zu investieren. Sie sind gezwungen, Vollzeit beschäftigt zu sein, weil die Ehe ihren Wert als Versicherung teilweise eingebüßt hat. Für Mütter kann dies eine zeitliche Mehrbelastung bedeuten und potenziell zu geringeren Investitionen in ihre Kinder führen. Zudem kann dies die Gesundheit der Kinder und ihren Bildungsabschluss beeinflussen.

 

Veränderte Wechselwirkungen

Die Forscher schätzen, dass ein einseitiges Scheidungsrecht keine Auswirkungen auf den Bildungsabschluss, den selbsteingeschätzten Gesundheitszustand oder depressive Syndrome von Erwachsenen hat. Sie stellten jedoch fest, dass es deutliche Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit gibt, selbst zu heiraten und Kinder zu bekommen, und dass diese Kinder mit größerer Wahrscheinlichkeit übergewichtig werden.

Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass die Folgen eines einseitigen Scheidungsrecht für Kinder vorwiegend darauf beruhen, das sie in bestehenden Ehen die Aushandlungsprozesse innerhalb eines Haushalts beeinflussen. Die Ergebnisse beziehen sich jedoch nicht auf die Auswirkungen des einseitigen Scheidungsrechts auf die Wahrscheinlichkeit einer elterlichen Trennung.

Schließlich stellten Reinhold et al. fest, dass das Aufwachsen unter einseitigem Scheidungsrecht negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden von Kindern hat. Sie schlussfolgerten, dass das Recht auf ein einseitiges Scheidungsbegehren Kinder insofern beeinflusst, als dass es die familiären Aushandlungsprozesse in intakten Ehen beeinflusst.

 

 

Please note that only the English version is citable as this is the version that has been approved by the author(s). Please cite the PopDigest as: Robles, Isabel (2014): Always A Risk Of Divorce: The effect of divorce laws on the well-being of children. PopDigest 49. Berlin: Population Europe. Available at: http://population-europe.eu/pop-digest/always-risk-divorce. (Date of Access)

This Population Digest has been published with financial support from the Progress Programme of the European Union in the framework of the project “Supporting a Partnership for Enhancing Europe’s Capacity to Tackle Demographic and Societal Change”.