Workshop im Rahmen der Berliner Demografie-Tage 2025
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Welche Auswirkungen hatten demografische Aspekte auf die Bundestagswahlen 2025? Dieser Frage ist Population Europe im Online-Workshop „Die Bundestagswahl 2025 im demografischen Wandel“, der am 3. April 2025 im Rahmen der Berliner Demografie-Tage 2025 stattfand, nachgegangen. Expertinnen und Experten diskutierten, welche Aspekte wahlentscheidend waren und inwiefern die Demografie zu einer Klärung dieser Frage beitragen kann. Die Veranstaltung wurde gemeinsam mit dem Arbeitskreis Demografiepolitik der Deutschen Gesellschaft für Demographie (DGD) organisiert.
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Es diskutierten:
Prof. Dr. Martin Elff, Professor für Politische Soziologie an der Zeppelin Universität Friedrichshafen,
Dr. Anna-Sophie Heinze, Postdoc in Politikwissenschaft und PI des Forschungsprojekts „NurtureDEMOS“ an der Universität Trier,
Jürgen Kaube, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung,
Dr. Sabine Pokorny, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Analyse- und Beratungsabteilung der Konrad-Adenauer-Stiftung,
Dr. Yvonne Schroth, Vorstandsmitglied der Forschungsgruppe Wahlen e.V.
Moderatoren:
Dr. Andreas Edel, Leiter von Population Europe
Prof. Dr. Tilman Mayer, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bonn
Diskussionsthemen:
Das Podium diskutierte, wie demografische Faktoren die Wahl beeinflusst haben. Wie zu erwarten war, profitierte die CDU/CSU erheblich von älteren Wählergruppen (60 Jahre und älter). Dieser Umstand führte zu einem Wahlkampf, der vor allem die Interessen älterer Menschen in den Vordergrund stellte, während die Interessen der Jüngeren weniger Beachtung fanden. Der demografische Wandel, der auf die alternde Bevölkerung zurückzuführen ist, bildete sich somit in den Wahlprogrammen ab und wird voraussichtlich auch Einfluss auf die Themen der zukünftigen Regierung haben.
Die Debatte über die Regulierung der Einwanderung dominierte den Wahlkampf und näherte sich dem Thema vor allem aus sicherheitspolitischer Sicht. Das von Parteien und Medien stark diskutierte Thema kam jedoch hauptsächlich der AfD zugute. Das Podium unterstrich, dass wenn sich die gemäßigte Rechte weiter nach rechts bewegten, letztlich die extreme Rechte davon profitiere, was bereits in politikwissenschaftlichen Studien gezeigt werden konnte.
"Es bestehe das Risiko, dass Parteien ihre Positionen stärker auf die Interessen älterer Menschen ausrichteten."
Der Erfolg der AfD bei jungen Menschen machte deutlich, dass diese Altersgruppe weder generell links noch rechts, sondern in ihren politischen Ansichten sehr unterschiedlich sei. Da junge Menschen unter 30 Jahren nur 13 % der Wählerschaft ausmachten, bestehe das Risiko, dass Parteien ihre Positionen stärker auf die Interessen älterer Menschen ausrichteten. Zudem sei in späteren Geburtskohorten die Parteibindung an die traditionellen 'Volksparteien' CDU und SPD schwächer und weniger häufig als in den früheren Geburtskohorten. Gleichzeitig finde bei jungen Menschen eine immer stärkere und wechselhaftere Fokussierung auf bestimmte Themen und Kandidierende statt. Dieser Effekt konnte auch schon in vorherigen Wahlen beobachtet werden.
Der Wahlerfolg der AfD spiegelte auch wahrgenommene sozioökonomische Benachteiligungen wider. In besonderem Maße fühlten sich AfD-Wählende benachteiligt oder hatten das Gefühl, dass ihre Probleme nicht ernst genommen würden. Dies war jedoch nicht unbedingt mit objektiven Faktoren verbunden, da die Wahlergebnisse zeigten, dass auch Wählergruppen mit höheren Einkommen zunehmend für die AfD stimmten.
"Außerdem zeige sich, dass die AfD keineswegs nur im Osten Anklang finde."
Eine wachsende Anzahl der Deutschen sei zudem der Meinung, dass die Demokratie nicht gut oder in ihrem Sinne funktioniere, was vom Podium als ein Zeichen für langfristige gesellschaftliche Veränderungen in der Wahrnehmung der Demokratie und des Vertrauens in die Politik gedeutet wurde. Bemerkenswert sei auch, dass die AfD-Wählenden inzwischen davon überzeugt seien, dass die AfD tatsächlich etwas bewirken könne, denn sie würde kaum noch aus Protest gewählt. Außerdem zeige sich, dass die AfD keineswegs nur im Osten Anklang finde, sondern heute etwa zwei Drittel ihrer Stimmen aus Westdeutschland erhielte.
Das Podium unterstrich, dass beim Wahlverhalten die Sozialstruktur eine erhebliche Rolle spielte. So stimmten beispielsweise 60 % der jungen Männer (unter 35 Jahren) mit geringer formaler Bildung in Ostdeutschland für die AfD. Im Gegensatz dazu neigten junge Frauen in urbanen Räumen mit formal höherer Bildung eher zu links-progressiven Ansichten.
"Darüber hinaus hat die europaweite Normalisierung rechter Positionen im Allgemeinen zu mehr Stimmen für rechte Parteien geführt."
Darüber hinaus hat die europaweite Normalisierung rechter Positionen im Allgemeinen zu mehr Stimmen für rechte Parteien geführt, die es derzeit schaffen, vor allem das Bedürfnis der Männer nach sozialer Anerkennung zu bedienen. Dies gelte insbesondere für jüngere Männer, die von rechten Bewegungen dazu ermutigt werden, ihre Identität an einem rechten Nationalismus und nach einer rechten Auffassung von Männlichkeit auszurichten.
Ob demografische Erklärungen allein ausreichen, um politische Entwicklungen zu erklären, sei fraglich. Während die demografische Struktur über den Zeitraum einer einzigen Legislaturperiode weitgehend konstant blieb und sich nur langsam fortentwickelt, habe sich in den letzten drei Jahren insbesondere das Regierungshandeln und die Medienberichterstattung verändert, was vermutlich erheblich zum Wahlergebnis beigetragen hat. Trotzdem werden demografische Faktoren und der demografische Wandel langfristig eine Rolle spielen. So schlägt sich schon jetzt die alternde Gesellschaft in den von Parteien priorisierten Themen nieder. Und auch die geografischen, ökonomischen und bildungsbezogenen Unterschiede zwischen den demografischen Gruppen werden sich weiterhin in den Wahlergebnissen niederschlagen.
Die Berliner Demografie-Tage 2025 werden gefördert durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).