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Pflichtbewusste Töchter

Geschlechtsspezifische Unterstützung für alternde Eltern: Welche Rolle spielt der Sozialstaat?

Ein Merkmal alternder Gesellschaften ist die zunehmende Zahl älterer Menschen, die Hilfe bei ihren täglichen Aktivitäten benötigt. Ein beträchtlicher Teil dieser Hilfe wird von erwachsenen Kindern geleistet. In Europa sind Frauen stärker an der Unterstützung ihrer alternden Eltern beteiligt als Männer. Eine Studie von Tina Schmid, Martin Brandt und Klaus Haberkern untersucht, ob diese geschlechtsspezifischen Unterschiede mit familienpolitischen Maßnahmen im Zusammenhang stehen.
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Filles dévouées

Ein Merkmal alternder Gesellschaften ist die zunehmende Zahl älterer Menschen, die Hilfe bei ihren täglichen Aktivitäten benötigt. Ein beträchtlicher Teil dieser Hilfe wird von erwachsenen Kindern geleistet. In Europa sind Frauen stärker an der Unterstützung ihrer alternden Eltern beteiligt als Männer. Eine Studie von Tina Schmid, Martin Brandt und Klaus Haberkern untersucht, ob diese geschlechtsspezifischen Unterschiede mit familienpolitischen Maßnahmen im Zusammenhang stehen.


Auf der Grundlage von Daten aus der Erhebung über Gesundheit, Alterung und Ruhestand in Europa (SHARE) unterscheiden die Forscher zwischen intensiver und sporadischer Unterstützung, die von Kindern, die mindestens 50 Jahre alt sind, geleistet wird. Ersteres bedeutet, dass die Befragten beinahe täglich Hilfe bei Haushaltstätigkeiten, Schreibarbeiten oder der persönlichen Versorgung leisten. Letzteres umfasst alle Hilfsleistungen, die nur einmal pro Woche oder seltener erfolgen. Beinahe 30 % der männlichen und 40 % der weiblichen Befragten leisteten eine solche sporadische Unterstützung. Demgegenüber leisteten weniger als 15 % der Befragten eine intensive Unterstützung (siehe Abbildung 1).



Abbildung 1: Prozentanteile von Kindern im Alter 50+, die altgewordene Eltern unterstützen


 


Eine Unterscheidung nach Geschlechtern zeigt, dass sporadische Unterstützung in fast demselben Umfang von Männern und Frauen geleistet wird, während eine intensive Unterstützung durchschnittlich zu 75 % durch Frauen erfolgt (siehe Abbildung 2).



Abbildung 2: Kinder im Alter 50+, die altgewordene Eltern unterstützen nach Geschlecht


 


Politische Instrumente, die die Unterstützung von Eltern im Seniorenalter beeinflussen


Im Hinblick auf die Rolle des Wohlfahrtstaates, untersuchten die Forscher drei politische Instrumente eingehender, von denen sie einen Einfluss auf die Unterstützung von alternden Eltern erwarteten. Erstens die Verfügbarkeit professioneller Sozialdienste, einschließlich Haushaltsführung, häuslicher Pflege und stationären Pflegedienstleistern. Zweitens Cash-for-Care-Programme, bei denen entweder Familienmitglieder direkt für ihre Pflegearbeit bezahlt werden oder bei denen die pflegebedürftigen Personen Geld erhalten, das sie für die Entlohnung eines Verwandten oder einer professionellen Pflegekraft verwenden können. Drittens gesetzliche Regelungen, die die Bürger dazu verpflichten, entweder die Versorgung ihrer Eltern zu übernehmen oder deren Pflege mitzufinanzieren.


Die Betrachtung der Gruppe, die sporadische Hilfe leistet, zeigt, dass in Staaten mit einer großzügigen Bereitstellung sozialer Dienstleistungen (wie in den nordischen Staaten) sich mehr Individuen an sporadischer Hilfe beteiligen. Sowohl die Cash-for-Care-Programme als auch bindende rechtliche Verpflichtungen gehen mit geringeren Zahlen an Hilfe leistenden Töchtern und Söhnen einher.


In der Gruppe, die intensive Unterstützung leistet, werden nur Frauen in einem signifikanten Umfang von einem der drei politischen Instrumente beeinflusst. So steht eine hohe Verfügbarkeit sozialer Dienstleistungen in Zusammenhang mit einem geringeren Anteil an Töchtern, die diese zeitintensive Hilfe leisten. Demgegenüber zeigten großzügige Cash-for-Care-Programme einen gegenteiligen Effekt: Der Prozentsatz an Frauen, die intensive Pflegeleistungen erbringen, ist leicht erhöht. Die Forscher stellten außerdem fest, dass der Prozentsatz an Frauen, die intensive Unterstützung leisten, in Staaten mit bindenden rechtlichen Verpflichtungen größer war als in Staaten mit geringeren oder gar keinen gesetzlichen Verpflichtungen.


 


Geschlechtsspezifische Ungleichgewichte bei intergenerationaler Unterstützung


Warum diese Effekte bei Söhnen, die ihre Eltern intensiv unterstützen, kaum zu beobachten sind, lässt sich vor allem durch die vorhandenen Geschlechterunterschiede bei der intergenerationalen Unterstützung erklären: Gesetzliche Verpflichtungen bezüglich der Versorgung alter Menschen werden tendenziell von Frauen übernommen, nicht von Männern. Politische Entscheidungsträger sollten sich daher darüber im Klaren sein, dass derartige Rechtsvorschriften die Geschlechterungleichheiten bei der Übernahme von Pflegeverantwortungen verstärken, während soziale Dienstleistungen das Gegenteil bewirken. Dieser Studie zufolge, „könnten sie zu einer ausgewogeneren Verteilung von intergenerationaler Unterstützung führen, weil sie die intensive Unterstützung durch Töchter verringern und die sporadische Unterstützung vergrößern würden, die sowohl Töchter als auch Söhne leisten“.


 


 


Please note that only the English version is citable as this is the version that has been approved by the author(s). Please cite the PopDigest as: Matthiesen, Sigrun (2014): Dutiful Daughters: Gendered support to older parents: do welfare states matter? PopDigest 44. Berlin: Population Europe. Available at: http://population-europe.eu/pop-digest/dutiful-daughters. (Date of Access)


This Population Digest has been published with financial support from the Progress Programme of the European Union in the framework of the project “Supporting a Partnership for Enhancing Europe’s Capacity to Tackle Demographic and Societal Change”.